Westuferlinie des Ammersees – Wo leben wir eigentlich?

Historisch bedeutsame Westuferlinie des Ammersees – Wo leben wir eigentlich?

Erhaltung, Pflege, Entwicklung und Sicherung sensibel angehen

Beitrag von Prof. Dr. em. Gerd Schulte, Utting

Die Westuferlinie des Ammersees begleitet den Ammersee-Westufer-Korridor zwischen Stegen und Dießen, einen für die bayerischen Voralpenseen charakteristischen Landschaftskorridor. Dieser ist über kleine Landschaftsspangen (Windachspange, Mühlbachspange, Seeholzspange, Gruberbachspange und Schatzbergspange) eng mit dem parallel verlaufenden waldreichen Ammerseehöhen-Korridor zwischen Windach und Bischofsried verbunden. Dazwischen liegt als eine Art Querverbindung die Trasse der Römerstraße Via Raetia, die einen Denkmalkorridor bildet (siehe Abbildung). Beide Korridore und die Römerstraße sind Teile eines Netzwerks der Kulturlandschaften der Landkreise Weilheim-Schongau und Landsberg/Lech. In diesem Netzwerk gibt es nähere bzw. entferntere Verbindungen zum Windacher Moos bzw. Pflaumdorfer Moos mit der Erzabtei St.Ottilien, zum Naturschutzgebiet Ampermoos, zum Ramsargebiet Vogelfreistätte Südufer und letztlich sogar bis zur Klosteranlage Wessobrunn bzw. den außergewöhnlichen Peißenberg. Große Teile des hier dargestellten Landschaftsbereichs gehören zum Landschaftsschutzgebiet Ammersee-West.

Die historische Bedeutung der Westuferlinie basiert auf dem (auch international) bedeutsamen Kultur- und Naturerbe dieses Landschaftskorridors. Zum Kulturerbe gehören Baudenkmäler wie zum Beispiel die St. Jakobs Kirche in Schondorf oder das Gasteiger Haus in Utting, Bodendenkmäler wie die villa rustica und die Hügelgräber in Schondorf, die Fischereistandorte, die Lebensorte zahlreicher Künstler aus Malerei, Musik und Literatur, die alten Strandbäder und Seepromenaden (weitere Beispiele in der Abbildung).

Historisch bedeutsame Westuferlinie

Zum Naturerbe gehören zum Beispiel das Naturschutzgebiet Seeholz und zahlreiche seltene und gefährdete Tier- und Pflanzenarten auf der Land- wie auf der Seeseite. Zu Lande treffen wir unter anderen auf das Blaukehlchen und den Mittelspecht und im See unter anderen auf den Ammersee-Kilch und den Ammersee-Kaulbarsch, zwei Fischarten die weltweit nur hier im Ammersee auftreten. Aus der Pflanzenwelt muss man zahlreiche alte und mächtige Weiden und Pappeln hervorheben (zum Beispiel die seltenen Schwarzpappeln und Lavendelweiden). Dieser Altbaumbestand reiht sich zu einer imposanten Kette entlang des Seeufers (weitere Element des Naturerbes siehe Abbildung). Das Kultur- und Naturerbe des Ammerseehöhen-Korridors ist schwächer ausgeprägt (siehe Abbildung).

Die Gemeinde Utting stellt für den Ammersee-Westufer-Korridor wichtige Bestandteile des kostbaren Kultur- und Naturerbes. Dazu gehören zum Beispiel die geschützten Baudenkmäler Seeschlösschen und das Gasteiger Haus, aber sicherlich auch das alte Strandbad , das sehr wahrscheinlich denkmalschutzwürdig ist. Zum Naturerbe gehören das Naturschutzgebiet Seeholz und zahlreiche Uferschilfbestände. Beispiele für das Naturerbe stellen aber auch zahlreiche gefährdete Tierarten zum Beispiel aus der Fisch- und Vogelwelt. Dazu zählen vom Aussterben bedrohte Arten wie die Rohrdommel oder die zuvor erwähnten endemischen Fischarten.

Im Wissen um dieses kostbare Kultur- und Naturerbe ist von allen Bürgern und Bürgerinnen wie auch von Besuchern, Touristen und Erholungsgästen eine besondere Sensibilität im Umgang mit der Seeuferlinie und der begleitenden Landschaft gefordert. Zudem sind wir aufgefordert uns für den Erhalt dieses Landschaftsbereiches, seine sorgsame Pflege, eine vorausschauende Entwicklungsplanung und eine behutsame Sicherung einzusetzen. Mit großer Sensibilität muss dabei die Schönheit der Landschaft beachtet werden.

Vor mehr als 100 Jahren lockte diese Schönheit namhafte Künstler, vor allem Maler an diese Uferlinie. Sie trugen die Namen von Schondorf, Utting und Dießen in alle Welt (das kann man durchaus sagen). Sie machten aus der Uferlinie eine renommierte Kunstmeile. Und das ist sie – fraglos wegen der Schönheit der Landschaft – auch heute noch. Für viele Künstler wurde die Seeuferlinie daher Heimat. Und auch heute noch kommen viele Menschen wegen dieser Schönheit an dieses Seeufer und finden hier eine neue Heimat.

In diesem Jahr haben sich zahlreiche Bürger und Bürgerinnen mit dieser „Schönheit“, dem „Gesicht der Seeuferlinie“ auseinandergesetzt. In der Holzhauser Bucht ist eine neue Polizeistation geplant und eine „greislige“ Markise – so der Uttinger Bürgermeister – versperrt die Sicht auf das denkmalwürdige alte Strandbad. Es drohen kritische Eingriffe in das Natur- und Kulturerbe der historischen Seeuferlinie.

Das Kultur- und Naturerbe haben uns eine historisch bedeutsame und schöne Westuferlinie geschenkt. Diese bemerkenswerte Landschaftsästhetik darf nicht durch Sichtbarrikade beeinträchtigt werden. Überspitzt gesagt haben wir die Wahl zwischen Schönheit und Hässlichkeit. Ich rufen daher auf: Sensibilität für die Erhaltung, Pflege, Entwicklung und Sicherung der Seeuferlinie bewahren.

Post Skriptum

Es wird eine Mitarbeit am Projekt „Heimat erkennen – Identität bewahren“ der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf empfohlen. Mit diesem Projekt sollen alle prägenden Merkmale der historischen Kulturlandschaft (Bauwerke, Bodendenkmäler ebenso wie Naturdenkmale und charakteristische Landschaftsteile) erfasst werde und in einem Datenbanksystem dokumentiert werden. Der Arbeitskreis der Heimatforscher des Ammerseegebiets e.V. (AHA) hat diesen Gedanken bereits aufgegriffen. Dieser Arbeitskreis ist auch aktuell eingebunden in Leader-Projekte zur Dokumentation heimischer Kultur.

 

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